Schade, dass die Reise schon vorbei ist. War sehr schön. Danke, dass du uns eure Tour, so lebendig beschrieben hast.
Schade, dass die Reise schon vorbei ist. War sehr schön. Danke, dass du uns eure Tour, so lebendig beschrieben hast.
“Evil begins when you begin to treat people as things.”
Terry Pratchett - I Shall Wear Midnight
Am nächsten Tag gehen wir in ein kleines Café mit vielen guten Bewertungen frühstücken. Liegt nicht am Strand und viele indische Hipster mit Bart betreiben das Café. Der Cappuccino ist lecker und der Hinterhof ist hübsch. Der Inhaber regt sich über irgendeinen Zeitungsartikel auf und meckert laut vor sich hin "This is still india, if you don't want to be here, leave". Er fängt an uns den Artikel zu erklären. Drei Studenten wurder verprügelt, weil sie sich geweigert haben Bharat Mata ki Jai zu "singen".
Das bedeutet soviel wie "Victory to Mother India” und ist historisch stark mit dem Hinduismus verknüpft. Der Cafébesitzer regt sich also nicht über die Prügel auf, sondern darüber dass die muslimischen Studenten das nicht singen wollten. Wir protestieren sanft und bekommen einen Vortrag darüber was für schreckliche, lügende betrügende und untreue Menschen Muslime sein. Und er sei mit vielen Muslimen aufgewachsen, wir sollten ihm ruhig glauben. Für uns höchste Zeit das Lokal zu verlassen. Eines der weniger schönen Unterhaltungen in Indien.
Ansonsten wird der Tag unspektakulär. Ich kaufe ein paar Schals, Tücher und Silberschmuck. Außerdem schreibe ich Postkarten. Von denen ist bisher keine einzige angekommen (zumindest hat sich noch niemand bedankt ), aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Lasse will sich nun doch noch eine Trommel kaufen und wir verbringen eine nette Stunde im Musikladen. Ich darf auch ein bißchen mitmachen und hab sogar ein bißchen Spaß. Der Verkäufer will unbedingt mit uns in Kontakt bleiben und mir die Nummer seines Sohnes geben, weil der Whatsapp hat. Auf die Frage warum er kein eigenes hat, winkt er ab „me old, me no school“. Er schafft es auch nicht die Nummer aus dem Handy rauszusuchen, weil er die Funktion nicht findet. Ich muss übernehmen.
Mit der Rikscha fahren wir nach Chaudi, der nächstgelegene Ort um uns ein bißchen umzusehen und Geld zu holen, in Palolem gibt es keinen ATM. Lasse kauft beim ortsansässigen Bäcker für so gut wie kein Geld ganz seltsames Gebäck. Mein Magen grummelt ein wenig, ich probiere lieber nicht, auch wenn Lasse im siebten Himmel zu schweben scheint. In der Apotheke schriebt man sich meinen Namen auf. Allerdings hat die gute Dame so seltsam meinen Namen wiederholt, dass wahrscheinlich niemals im Leben jemand drauf kommen könnte, dass ich dort eingekauft habe.
Außerdem wandern wir noch zum Patnem Beach der noch ein bisschen einsamer ist als unser Strand. Kamera hab ich keine dabei, weil ich die nicht unbeaufsichtigt am Strand liegen lassen möchte. Wenn die Sonne nicht wäre könnte ich ewig schwimmen. Abends gehen wir Pizza essen und neben uns sitzt ein Abziehbild meines Vaters vor 20 Jahren. Ich krieg den Mund gar nicht mehr zu und Lasse sieht es auch. Ob mein Opa einen späten Fehltritt hatte? Die Ähnlichkeit, vor allem in Gestik und Mimik ist richtig unheimlich. Es scheint allerdings ein Franzose zu sein, den ich natürlich heimlich fotografiere und mir vorkomme wie der mieseste Stalker der Welt.
Dann noch ein Sonnenuntergang und am nächsten Morgen bricht auch schon unser letzter voller Tag in Indien an.
Geändert von wolkenlos (10-05-2016 um 21:41 Uhr)
Der Verkehr in Goa ist etwas überschaubarer als in den großen Städten und wir mieten uns nach einem Frühstück im Hotel zwei Scooter. Kostet 3 Euro für den ganzen Tag, wir werden noch nicht mal nach unserem Namen gefragt, geschweige denn nach Ausweis oder Führerschein. Die Helme sehen lustig aus und lassen sich nicht schließen. Bei der Hitze fährt hier niemand mit Helm, aber die Polizei kontrolliert – gerade auch Touristen – um ein bisschen Kohle zu machen. Wir setzen die Dinger also auf ohne sie wirklich festzurren zu können und müssen erstmal an die Tankstelle. Einmal volltanken für zwei Euro. Unser Ziel ist das Cotigao Wildlife Resort landeinwärts.
Auf einmal freue ich mich über das Hupen, wenn mich jemand überholt, die Straßen sind teilweise doch ganz schön voll inklusive Bussen und Lastern. Ich verliere Lasse irgendwo und warte im Schatten auf ihn. Leider rast er direkt an mir vorbei. Ich also hinterher um ihn einzuholen…. Gar nicht so einfach dann! Wir verinbaren ein Hupsignal, wenn einer irgendwie langsamer wird oder ranfahren muss/will. Die Straßen werden leerer und eins meiner liebsten Freiheitsgefühle setzt ein. Auf dem Scooter durch die schöne Landschaft düsen, wohin man möchte. Ich liebe es.
Es sind gut 20 Kilometer bis zum Park, am Ende wird es ganz schön bergig. Es ist richtig heiß, mein Magen grummelt auf einmal wirklich doll und mir wird etwas blümerant. Ich beschließe mich einfach nicht darauf zu konzentrieren. Am Eingang des Resorts bekommen wir eine Karte und ein paar Aussichtspunkte erklärt, man muss mit dem Auto oder eben den Scootern durchfahren. Wir haben 5 Liter Wasser dabei und mehr als die Hälfte ist schon weg. Mein Gehirn schmilzt, mal wieder und was in meinem Bauch abgeht wird langsam unignorierbar. Sollte mich wirklich, am letzten Tag, noch der Delhi Belly erwischt haben? Ich fahre tapfer weiter, ich will ja den schönen Tag nicht verderben. Die Wege sind voller Löcher und Kies, ich fahre, so wie ich es gelernt habe, langsam und vorsichtig über diese Stellen. Lasse behauptet alles geht viel besser wenn man schneller fährt und ist schwupps um die nächste Kurve verschwunden.
Was macht wolke? Anstatt einfach Ruhe zu bewahren und genauso weiterzufahren wie ICH mir sicher bin dass es klappt, lasse ich mich anstacheln und erhöhe die Geschwindigkeit. Im Eifer des nächsten Schottergefechts betätige ich (größter Fehler den man machen kann) die Vorderbremse und es haut mich und den Roller der Länge nach hin. Ich schaffe es noch halbwegs abzuspringen, kann aber nicht verhinden den Weg langzuschlittern. SCHEISSE. Mein linker Arm und mein linkes Bein sind ziemlich aufgerissen und blutig, die Hose kaputt, mein Knöchel tut weh und eine Hand ist aufgeschürft. Ich sitze mitten in der Sonne und kann nicht denken. Von Lasse weit und breit nichts zu sehen. Der Scooter funktioniert noch und ich will erstmal zitternd in den Schatten fahren. In diesem Moment kommt Lasse um die Ecke und zetert mich an wo ich bleibe. Boah! Wir verarzten notdürftig die Schürfwunden und spülen mit Wasser und Desinfektionsgel den Dreck so gut es geht ab. Ich glaube, ich habe echt nochmal Schwein gehabt und sobald wir im Schatten sind geht es mir gleich viel besser.
Die Schotterpiste auf der es geschah:
Da, wildlife! Kühe.
Den Schreck noch in den Knochen fahren wir in Richtung Tree Top Aussichtspunkt. Dort angekommen lecke ich nochmal meine Wunden und wir machen uns auf den Weg in den Dschungel. Es grummelt. In mir. Nach zehn Minuten in denen wir an wildlife ein paar Ameisen und einen schnell vorbeiflitzenden Affen gesehen haben, geht es nicht mehr. Es IST Delhi Belly, keine Frage. Lasse ist etwas irritiert, aber ich muss SOFORT zurück. Irgendwo im Reservat habe ich ein kleines Schild „ Café" gesehen. Nach dem ewig scheinenden Weg zurück zum Scooter muss ich mich bemühen trotzdem langsam über den Schotter zu fahren. Das Café existiert gottseidank wirklich und es hat eine Toilette. Halleluja! Während Lasse es sich gemütlich macht, habe ich eines der verstörendsten Erlebnisse dieser Reise überhaupt auf einer kleinen indischen Stehtoilette ohne fließendes Wasser in einem Gartenhaus.
Nach einer Flasche Wasser geht es mir kurzfristig besser, aber ich will keine Sekunde länger bleiben. Ich beschließe alleine zurück ins Hotel zu fahren und Lasse lässt sich überreden, dass ich dazu in der Lage bin. Solange ich auf dem Scooter sitze geht es eigentlich. Die Sonne brennt und ich kann in den Rückspiegel beobachten wie meine Arme von Minute zu Minute röter werden. Ich schaffe es ins Hotel. Über die nächsten Stunden möchte ich Euch nichts erzählen. Ich lese abends allerdings einen lustigen Artikel über die Regeln bei Delhi Belly im Allgemeinen (sorry, nur auf Englisch) und fühle mich gleich etwas besser. Ein wenig macht mir der nahende Langstreckenflug Sorgen, aber ich hab ja meine Reiseapotheke. Ätzend, dass es mich im letzten Moment noch erwischt hat! Außerdem ist mein Knöchel inzwischen richtig angeschwollen, ich humpele von Bett ins Bad und zurück, die Schürfwunden neven ebenfalls. Nachdem Lasse enttäuscht zurück ist, weil überhaupt nichts spannendes im Wildlife Dings zu sehen war, bringt er noch die Scooter zurück. Meiner ist an der Seite komplett verkratzt – aber wir kommen günstig davon und der ganze Spaß kostet nur 1000 Rupien – etwa 13 Euro.
Lasse besorgt mir noch etwas Raita (Joghurt), Brot und eine Packung Chips und dann beginnt eine sehr unruhige Nacht.
Geändert von wolkenlos (10-05-2016 um 22:01 Uhr)
Es wird schnell besser, zum Glück! Auch wenn es unserer Abreisetrag ist, haben wir noch etwas vor und begeben uns (ich mit Immodium & Ibuprofen gedopt) in aller Herrgottsfrühe zum Strand. Die Straßen sind noch wie leergefegt und alles hat eine ganz andere Atmosphäre. Die ersten Läden fangen langsam an zu öffnen.
Shiwa Blue Eyes – ein Inder mit stahlblauen Augen hatte uns nämlich noch zu einem Delphintrip überredet und wir fahren in der aufgehenden Sonne aufs Meer hinaus. Ich habe noch den unsäglichen Whalewatching Trip aus Sri Lanka im Kopf, aber hier ist es etwas besser. Wir sind allein in unserem kleinen Boot und außer uns sind nur noch zwei andere kleine Kutter da. Dann sind wir ganz ganz nah an den Delphinen, die man abends auch gut vom Strand in der Ferne beobachten kann. Ich will gucken und nicht fotografieren. Am Ende wage ich noch einen Versuch, aber der Delphin war zu schnell für mich. Nur quasi als Beweis, dass wir da waren, Bild Nummer 1:
Wir werden noch am Honeymoon Beach, einem kleinen Strand abgesetzt und dann geht es auch wieder zurück ans Festland. Ich traue mich etwas zu frühstücken – es scheint zu gehen. Unser Taxifahrer holt uns um vier Uhr ab und wir nutzen die Zeit um noch einmal schwimmen zu gehen und ich um meinen Fuss hochzulegen. Dann erwischt es Lasse auch noch: Ihn streift eine Qualle am Arm. Es erscheinen sofort rote Blasen und es sieht einfach nur furchtbar schmerzhaft aus. Ist es auch. Ein netter Inder ist sofort zur Stelle und eilt in einen nahegelegenen Shop. Kokosöl. Innerhalb kürzester Zeit sind die Schmerzen besser und die Farbe wandert von Lasses Armen zurück in sein Gesicht.
Unser sehr netter Taxifahrer erzählt uns noch, dass er eigentlich aus einer Fischerfamilie stammt. Außerhalb der Saison ist er tatsächlich Fischer. Englisch hat er sich selbst beigebracht. Bewundernswert. Wir hören noch ein paar Geschichten über Ganesha, seine Familie und Indien und dann ist der Urlaub tatsächlich vorbei. Knapp überleben wir noch den Transfer zwischen den Terminals in Delhi (Busfahrer vollständig außer Kontrolle) um dann am nächsten Morgen endlich in Berlin zu landen.
Rechts die Trommel in ihrer hübschen Tasche, ansonsten schnöde S-Bahn statt Rikscha.
Danke Indien, danke Mitleser und quasi Mitreiser. Done.
Gute Besserung zu wünschen hat ja jetzt wenig Sinn mehr. Ich wünsche eine gute Genesung gehabt zu haben.
be yourself - everyone else is taken
Den "Scheiße, ich brauch ein Klo" Moment hatte ich vor ein paar Tagen auch. Saß gerade am Ufer und wollte Sonnenuntergang genießen. Gott sei Dank hatte ich in Erinnerung, wo das nächste öffentliche WC war, und es war sogar noch offen, und niemand sonst da. Aber ich saß da ganz im dunklen, und es war kein schöner Moment.
be yourself - everyone else is taken
Wirklich wunderbar, wolkenlos vielen Dank.
Es hat sehr viel Spass gemacht, deine Reise hier mitzu"erleben". Schade, dass der letzte Tag so unangenehm für dich war.
Ich freu mich schon auf die nächste Reise .- und auf Israel