Zitat von
JackB
Was die Mannschaft gestört haben dürfte, war das Erleben, nicht die unbedingte Unterstützung der Fans zu haben, die sie sich erhofft hatte.
Erleben zu müssen, wie einer der ihren in Leverkusen von einem erheblichen Teil der Zuschauer gnadenlos ausgepfiffen wird, trotz der Solidaritätsbekundungen der Mitspieler, trotz der Aufforderungen des Bundestrainers, dürfte den einen oder anderen in seinem Selbstverständnis durchaus erschüttert haben.
Es war Aussagen der Spieler zu entnehmen, dass sie sich das Projekt Titelverteidigung als Gemeinschaftsprojekt der Mannschaft und des DFB zusammen mit den Fans und nicht zuletzt den Medien vorgestellt hatten. Dann erleben zu müssen, dass bei ihrem letzten Heimspiel vor der WM, von dem sie sich einen letzten "Push" erhofft hatte, es einem Teil der Fans, auf deren Unterstützung sie gezählt hatten, wichtiger war, Gündogan auszupfeiffen, als die Mannschaft zu unterstützen - glaubst du, das hinterlässt keinen Eindruck?
Und von hartnäckigen Journalisten ständig weiter zum unliebsamen Thema angesprochen zu werden, auch nachdem Herr Bierhoff das Thema für beendet erklärt hatte - glaubst du nicht, dass das zumindest hochgradig nervt? Ich schon.
Ein gutes, ein hochklassiges Fußballspiel kommt nicht dadurch zustande, dass die Spieler auf den Platz gehen und "konzentriert ihren Job machen". Fußball ist mehr als konzentrierte Arbeit. Fußball lebt - neben Technik, Taktik, perfekter Vorbereitung - vor allem auch von Einsatz, Leidenschaft und Kampf. Zu Fußball gehört, dass man auch in der 70. oder 80. Minute, wenn die Sprints weh tun, deswegen nicht langsamer wird. Und um das zu schaffen, dazu verhilft den Spielern neben kühlen Getränken vor allem ihr "zwölfter Mann" - sei er nun auf den Rängen im Stadion, oder auch nur in ihrer Vorstellung beim Public Viewing in der Heimat. Und wenn nun aber die Spieler den "zwölften Mann", der sie eigentlich unterstützen sollte, als pfeifende Fratze in Erinnerung haben - glaubtst du, das hat keinen Einfluss?
Was denkst du, an wen oder was Toni Kroos dachte, als der nach dem Schweden-Spiel davon sprach, dass viele sich gewünscht hätten, dass die deutsche Mannschaft ausgeschieden wäre? - Ich vermute, dass er dabei an die pfeifenden Zuschauer in Leverkusen dachte. Vielleicht auch an Journalisten, denen es wichtiger war, immer noch über Erdogate zu schreiben, als die deutsche Mannschaft zu unterstützen. Und wenn das Thema zu dem Zeitpunkt im Kopf von Toni Kroos war, kann man nicht annehmen, dass es nicht das Spiel der Mannschaft belastet hat.
Und nochmal: Das ist ein Diskussion im Konjunktiv. Ich habe nicht mit Toni Kroos gesprochen, und auch nicht mit einem anderen Spieler der Mannschaft. Deshalb weiß ich nicht, ob und welchem Ausmaß Erdogate die Leistung beiträchtigt hat.
Aber wenn jemand kategorisch ausschließt, dass Erdogate die Leistung entscheidend beeinträchtigt haben könnte, vermute ich, dass derjenige wenig Ahnung davon hat, wie Fußball "funktioniert" - oder dass er den Zusammenhang nicht wahrhaben will.