Wir haben eine enorme Diskrepanz zwischen dem inneren Zustand in den Kliniken und der Wahrnehmung von außen.
Die Homepage wie geleckt, die Öffentlichkeitsarbeit redet von Herausforderungen statt das Desaster als dazu benennen, was es ist.
Wie nennt man das?
Gibt es dafür einen Fachbegriff? Mittlerweile reden selbst junge Stationsleitungen mit Mitte 20 schon so, wie man es früher nur von aalglatten Sportfunktionären kannte, die 30 Jahre durch Korruptionsaffären so geschliffen wurden, dass jedes Problem einfach an ihnen abperlt.
Ehrlich, egal welche Missstände und Unterversorgung man anspricht, das perlt alles an der Führungsebene ab.
Statt Lokalzeitung und Fernsehteam einzuladen und Ihnen die massiven Auswirkungen von Personalproblemen vor Ort zu zeigen, wird der neue Hybrid-OP gezeigt.
Die Menschen sollen sich sicher fühlen, man will nach außen Kompetenz und Stärke vermitteln. Und genau das ist wie ein Tritt in den Rücken für alle, die eine bessere Versorgung der Patienten und Patienten wollen. Es geht hier um Dich! Um Deine Mutter und um Deine Kinder!
Keine Klinik möchte die erste sein, die sagt: hier geht nichts mehr. Wir können nicht mehr.
Alle warten darauf, dass die anderen zuerst aufgeben und man selbst wie Phoenix aus der Asche empor steigt.
Nach intern wird daher beschwichtigt. Bloß nicht aufmucken. 🤫
Es wird wie Verrat gewertet, wenn einzelne Leute dann doch mal berichten, wie desolat die Lage in den Kliniken mittlerweile ist.
Wer hat das gesagt? Wo arbeitet er/sie?
Dabei ist das EGAL.
Wir müssen endlich einsehen, dass wir ein generelles Problem in allen Kliniken haben.
Alle machen dieses Spiel mit, nach außen „lächeln und winken“ und intern weiß kaum noch jemand, wie wir die ganze Arbeit schaffen sollen.
Auf Station heute ist ein einziges röcheln, husten und schniefen. Eigentlich müssten alle nach Hause geschickt werden.
Eigentlich.
Aber der Schnelltest ist negativ und solange das Fieber nicht über 40 ist, kann man ja auch noch arbeiten.
Und selbst damit bekommen wir keinen normalen Dienstplan hin. Müssen Betten und OP-Säle sperren. Wir haben alle Kompensationsmaßnahmen ausgeschöpft.
Einen OP-Saal zu schließen ist das allerletzte Mittel. Keine OPs, keine Einnahmen. Bevor man das tut, wird also alles andere zurück gefahren. Notarzt macht alleine die Narkosesprechstunde, Pat. warten 4h und länger - sowas. Und selbst das reicht nicht.
In der Pflege ist es genauso, wir haben zig Betten, teilweise ganze Stationen gesperrt. Und mitten rein jetzt der Vorschlag, dass man jetzt bitte Personal umverteilen solle um auf dem Kinderstation zu helfen (die das selber für eine bescheuerte Idee halten). Woher nehmen?
Ich glaube ein erhebliches Problem ist tatsächlich, dass sowohl die breite Bevölkerung aber vor allem Entscheider*innen in der Politik und bei den Krankenkassen keinen blassen Schimmer davon haben, wie ernst die Lage wirklich ist.
Vielleicht haben wir auch Schuld daran, weil wir zu lange alles möglich gemacht haben. Mittlerweile ist wirklich jede Reserve aufgebraucht, es gibt keinen Joker, den man noch ziehen könnte.
Aber ich gebe auch den Klinikleitungen und der Öffentlichkeitsarbeit eine Mitschuld.
Wenn man jahrelang nach außen immer suggeriert, dass alles supi ist, muss man sich nicht wundern, wenn man jetzt bei Forderungen nach mehr Geld, Material und Personal nicht ernst genommen wird.
Ich würde mir wünschen, dass mehr Kliniken mutig ihre Defizite zeigen.
Es ist nicht unsere Schuld, dass die Situation so ist wie sie ist.
Aber wir machen uns mitschuldig, wenn wir nicht ehrlich sind und sagen was ist. Dass Patientinnen und Patienten nicht immer gut versorgt sind. Dass sie in der Klinik nicht immer sicher sind.
Dass wir nicht wissen, wie es weiter gehen soll. Dass eine ausreichende Versorgung nicht mehr gewährleistet ist.
Klartext ohne Angst gekündigt zu werden, statt geschöntem Managersprech.
Das wäre ein mutiger Anfang.
#Medizinbrennt