Dass das Thema noch die Mannschaft bewegt, hat man am emotionalen Ausbruch von Bierhoff gesehen, was bisher so nicht vorgekommen ist. Bierhoff hört schließlich auch in die Mannschaft rein. Auch den Spielern hat man in den Interviews angemerkt, dass dieses Thema intern noch sehr präsent ist. Müller hat dazu zum Beispiel sehr reflektiert geantwortet.
http://www.faz.net/aktuell/sport/fus...-15631540.htmlBierhoffs Fehlsch(l)uss
Dieser erfolgreiche, eloquente wie intelligente Chefmanager der Nationalmannschaft. Wie er vor der Partie Reportern der ARD und damit stellvertretend deutschen Medien das Ende der Debatte um den Kniefall von Gündogan und Mesut Özil vor dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan aufzwingen wollte; genervt, hilflos, mit einem Fehlsch(l)uss, weit über das Tor hinaus, wie man es vom ehemaligen Torjäger nicht kennt: „Ihr bringt es doch jeden Tag wieder, weil ihr keine Themen habt.“
Es gibt, da hat Bierhoff Recht, viel wichtigere Themen. Aber zurzeit keines auf dem Fußballfeld, was den Fall überspielen könnte und sollte. Zumindest solange, bis eindeutig geklärt ist, wem die Nation die Daumen drücken, wem sie zujubeln, wen sie mit ihrer Begeisterung über Schwächephasen hinaus zum Erfolg tragen soll: Etwa Spieler, die einen Menschen ganz offiziell mit Bild und Wort verehren, der andere, um nur das Mindeste zu sagen, wegen unterschiedlicher politischer Ansichten verfolgen und ohne Anklage über Monate ins Gefängnis werfen lässt?
Bis zum Beginn der WM sind noch ein paar Tage Zeit. Özil und Gündogan wären gut beraten, wenn sie noch einmal näher erläuterten, wie es zu diesem Erdogan-Foto gekommen ist, was sie dabei gedacht haben, was sie genau unter den gemeinsamen Werten verstehen, ob sie einen Widerspruch zwischen diesen Werten und des Agierens Erdogans sehen und welche Problematiken bei multikulturellen Identitäten durchaus auftreten können. Sorry, der DFB macht nun wirklich viel Integrationsarbeit; Özil und Gündogan sind dabei Protagonisten von Werbekampagnen. Dann können die sich nicht einfach wegducken. Das ärgert eben die Fans: ein PR-Auftritt mit Steinmeier, Özil schweigt, Gündogan verlautbart patzig Worthülsen. Warum sollten die Fans Spieler unterstützen, die sich wegducken? Darum geht es den meisten kritischen Fans.
So ein Interview wird vor der WM noch kommen (müssen). Dass die Fragen kritischer als normal sein werden, haben sich Özil und Gündogan selbst zuzuschreiben. Eine Nicht-Nominierung oder einen Rauswurf wegen des Erdogan-Fotos und des Verhaltens der zwei hielte ich dagegen für überzogen.