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hessenschau.de: Was bedeutet das für einen laufenden Prozess, wenn ein so wichtiges Beweisstück an die Öffentlichkeit gelangt?
Borufka: Gerade das erste Video ist das wichtigste Beweisstück überhaupt in dem Prozess. Es ist zwar in der Verhandlung gezeigt worden und wurde somit einer anwesenden Öffentlichkeit auch vorgeführt. Doch ich finde es dennoch bedenklich, das nun ins Netz zu stellen.
Erst gestern haben die Zeugenvernehmungen begonnen, mit einem Sohn von Walter Lübcke. Alle anderen Zeugen sind noch nicht vernommen worden. Die können sich das jetzt alle anschauen. Und das ist genau das, was Juristen und vor allem Gerichte nicht wollen: Sie wollen nicht, dass Zeugen derart beeinflusst werden. Dazu kommt: Wir können im Video Stephan Ernst nur in Sequenzen sehen, es ist nur ein Teil der mehrstündigen Aussagen online gestellt worden. Wir können uns ein Bild machen, aber es ist eben nur ein Ausschnitt.
hessenschau.de: Darf man so ein Video juristisch gesehen überhaupt veröffentlichen?
Borufka: Ein Strafverteidiger hat mir dazu gesagt: Man muss auf die Details achten. Man kann beispielsweise argumentieren, dass es ein Bilddokument ist, eine Aufnahme, die nicht für die Öffentlichkeit, sondern für das Ermittlungsverfahren entstanden ist. Auf der anderen Seite ist diese Aufnahme nun öffentlich im Prozess gezeigt worden. Ein anderer Punkt sind die Persönlichkeitsrechte. Die gelten auch für Stephan Ernst. Aber auch hier kann man wieder entgegen: Das ist eine Person des Zeitgeschehens. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, das zu sehen. Es ist also gar nicht so einfach zu bewerten.
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