Sehr geehrte Frau xxx,
per Email vom 23.10.2019 haben Sie sich über das Beschwerdeportal
www.programmbeschwerde.de über die Ausstrahlung der Dokumentation „Hartes Deutschland – Leben im Brennpunkt“, konkret die 4. Folge der ersten Staffel (Kiel), im Programm von RTLzwei am 10.10.2019, beschwert. Sie kritisieren dabei einerseits, dass im Rahmen der Sendung der aktive Konsum selbst von harten Drogen gezeigt werde und auch weitere Suchtmittel in Bild und Ton dauerhaft präsent sind. Andererseits empfinden Sie die Darstellung der teils stark körperlich abhängigen Süchtigen als herabwürdigend und sehen darin einen Verstoß gegen die journalistischen Grundsätze als auch den Jugendschutz. Ihre Beschwerde wurde an uns, die Medienanstalt Hessen (LPR Hessen) weitergeleitet, da wir die Federführung über die Aufsicht des Programms von RTLzwei innehaben.
Die von Ihnen genannte Sendung haben wir sorgfältig unter Würdigung aller rundfunkrechtlichen Aspekte geprüft. Im Ergebnis der Prüfung konnte kein Verstoß gegen die medienrechtlichen Bestimmungen festgestellt werden.
Der deutsche Gesetzgeber hat sich u.a. dafür entschieden, gem. § 5 Abs. 4 JMStV durch bestimmte Zeitgrenzen dem Jugendschutz im Rundfunk Rechnung zu tragen. So ist vorgesehen, dass Sendungen, die für Kinder unter 12 Jahren entwicklungsbeeinträchtigend sein können, erst nach 20:00 Uhr ausgestrahlt werden dürfen. Ist eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige zu erwarten, darf eine Ausstrahlung erst nach 22:00 Uhr erfolgen. RTLzwei sendete am 10.10.2019 um 20:10 Uhr (Hauptabendprogramm) die Sendung „Hartes Deutschland – Leben im Brennpunkt", sodass eine Entwicklungsbeeinträchtigung für Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren ausgeschlossen werden musste.
Die Sendungsfolge „Hartes Deutschland – Leben im Brennpunkt“, Folge 4, Staffel 1 wurde von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vor der deutschen Fernseherstausstrahlung im Hinblick auf die Altersfreigabe bewertet. Bei der FSF handelt es sich um eine nach § 19 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) anerkannte Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle, die die Einhaltung der Bestimmungen des JMStV sowie die hierzu erlassenen Satzungen und Richtlinien bei ihnen angeschlossenen Anbietern überprüft. Der Prüfausschuss der FSF kam im Rahmen der Prüfung der Folge zu einer Freigabe der Episode ab 12 Jahren im Hauptabendprogramm, sofern eine Schnittbearbeitung erfolge.
Die FSF begründet die Zulassung der geschnittenen Folge damit, dass die Sendung zwar einen ungeschönten Blick auf Alltag und Leid von Menschen am Rande der Gesellschaft richte, der gezeigte Alkohol- und Drogenmissbrauch jedoch an keiner Stelle beschönigend oder nachahmenswert dargestellt werde. Der Drogenkonsum sei in der Kieler Folge in einem hinreichend negativen Kontext dargestellt, der weder Kindern noch Jugendlichen attraktiv erscheine. Die insgesamt ruhig erzählte Reportage habe zuweilen auch aufklärenden Charakter und vermittelt Sachinformationen zu Armut in Kiel und den Folgen des Drogenkonsums. Die geschilderten sozialen Missstände können für Kinder und Jugendliche zwar belastend sein, andererseits wird davon ausgegangen, dass ab 12-Jährige bereits um die Existenz von Drogenabhängigkeit, Obdachlosigkeit und Armut wissen und die Auseinandersetzung damit auch zu ihren Entwicklungsaufgaben gehöre. Kritisch diskutiert wurde seitens der FSF auch der journalistische Umgang mit den Protagonisten. Letztlich ergebe sich aus der Sendung allein aber nicht, welche Hilfsangebote abseits der Filmaufnahmen tatsächlich gemacht wurden. Den Protagonisten wurde insgesamt ein respektvoller Umgang entgegengebracht und ausreichend Platz eingeräumt, von ihrem Alltag und Schicksal zu erzählen. Dabei trete auch hinreichend zu Tage, dass nicht zwingend nur das eigene Versagen der Protagonisten, sondern auch ein gesamtgesellschaftliches Versagen hinter dem sozialen Abrutsch stecken kann. Letztlich ermöglicht die Reportage intime Einblicke in ein Milieu, vor dem man im Alltag oft den Blick abwendet. Die beantragte Schnittauflage bezog sich allein auf die Unkenntlichmachung des minderjährigen Sohnes einer Protagonistin und wurde im Rahmen der Ausstrahlung durch RTLzwei beachtet.
Die Einschätzung der FSF und deren Freigabe für die Ausstrahlung im Hauptabendprogramm und somit für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren, ist sowohl für RTLzwei als auch für uns bindend: Nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendmedienschutz durfte RTLzwei die Sendung in der geschnittenen Fassung ab 20:00 Uhr zeigen und hat somit nicht gegen die medienrechtlichen Bestimmungen verstoßen und mit der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung getragen.
In jedem Fall möchte ich Ihnen für Ihren Hinweis danken. Mit Ihrer Kritik unterstützen Sie die Landesmedienanstalten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, ein den medienrechtlichen Bestimmungen entsprechendes Programm zu gewährleisten.
Mit freundlichen Grüßen