Es ist zwar leicht OT, aber aus gegebenem Anlass muss ich dazu etwas schreiben.
Jetzt würde mich aber doch mal interessieren, ob DU in Berlin lebst?
Man kann natürlich immer wieder alles aufzählen, was nicht gut geklappt hat - oder von mir aus eine "Katastrophe" war oder ist. Man könnt allerdings auch unzählige Dinge anführen, die hier hervorragend geklappt haben und weiterhin klappen.
Ich lebe inzwischen seit 30 Jahren hier und damit fast mein halbes Leben. Die erste Hälfte habe ich in Großstädten in NRW gelebt, braver, ruhiger, fleißiger alter Westen also. Als ich hier her zog, war ich sehr misstrauisch, wenn jemand Berlin lobte, und fand das ausgeprägte Selbstbewusstsein einiger Berliner sehr suspekt.
Inzwischen möchte ich hier schon längst nicht mehr weg. Und was die angeblichen aufgezählten Katastrophen betrifft: Ja, manches ist besch*** gelaufen. Aber das gibt es anderswo auch.
Beispiel Flughafen: Anderswo sind es die Elfi, Stuttgart 21, die Leverkusener Brücke, in München der Rohrkrepierer Transrapid...
Berlin hatte mit Tegel einen wunderbar funktionierenden Flughafen, der - soweit ich weiß - skandalfrei gebaut worden war und weit mehr Passagiere bewältigt hat als ursprünglich geplant. Ohne Probleme. Warum derselbe Architekt, der den Flughafen Tegel entworfen hat (und den ebenfalls gelungenen neuen Hauptbahnhof Berlin), den BER so geplant hat, wie er ihn geplant hat, ist mir ein Rätsel.
Übrigens erwähnt auch niemand, dass z.B. der Hauptbahnhof ohne größere Probleme gebaut wurde, obwohl dafür die Spree - mitten in der Innenstadt, gleich neben dem Kanzleramt und dem Bundespräsidialamt! - zeitweise umgeleitet werden musste und vieles unter Wasser betoniert werden musste.
Auch die Verlängerung der U-Bahnlinie 5 ist hier weitgehend planmäßig erfolgt, dabei musste dafür ebenfalls die Spree unterquert werden.
Ich habe vor langen Jahren auch den Bau der U-Bahn in Bonn miterlebt. Ich kann gar nicht beschreiben, wie viele Jahre an den paar Stationen der einzigen Linie dort gebaut worden ist. Unglaublich. Das wäre in Berlin undenkbar.
Beispiel Wahlen: Tja, letztes Mal ist da gravierend was schiefgegangen, da beißt die Maus keinen Faden ab. Es war auch keine Glanzleistung, den Berlin-Marathon und die Wahlen am gleichen Tag abzuhalten. Es darf aber auch mal angemerkt werden, dass alle anderen Wahlen zuvor reibungslos gelaufen sind. Von einem Fail gleich darauf zu schließen, dass es immer so wäre, ist doch etwas seltsam. Auch wenn dieser eine Fail schlimm genug ist.
Beispiel Verwaltung: Immer wenn ich mal die Dienste der Verwaltung benötigte, habe ich ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Sogar jetzt in den letzten Monaten habe ich relativ kurzfristig Termine bekommen, z.B. für einen neuen Personalausweis. Die Termine wurden auf die Minute pünktlich eingehalten und ich war ratzfatz wieder fertig. Und alle waren sehr freundlich.
Dafür sind nicht die Berliner verantwortlich, sondern die, die über Berlin herziehen. Dazu dieser aktuelle Artikel:
Berlin ist besser als sein Ruf
Allerdings: Selbst hier heißt es, auf einen neuen PA warte man monatelang. Ich habe gerade mal drei Wochen auf einen Termin gewartet und bekomme den Ausweis nach weiteren vier Wochen. Geht das anderswo wirklich schneller (außer in Notfällen)?
Aber ich möchte zum Schluss noch auf zwei - für mich ganz wichtige - Punkte hinweisen: Berlin hat sich in der Corona-Pandemie erstaunlich gut geschlagen. Man muss ja sehen, dass die Bevölkerungsdichte in der Pandemie eher ein Problem ist; dennoch lagen die Infektionszahlen häufig unter dem Bundesdurchschnitt (auch aktuell wieder, und das schon wochenlang). Die Impf- und Testzentren waren super organisiert, fand ich. (Großer Dank an Albrecht Broemme).
Zudem bewältigt Berlin seit Februar letzten Jahres erneut eine große Flüchtlingswelle. Und das geht erstaunlich geräuschlos vonstatten. Verwaltungskatastrophe??
Ist schon komisch, dass das bei der "Beurteilung" der Stadt von außen anscheinend gern übersehen wird.
Lesezeichen